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Lern-Metaphern
Wie mit der Käsereibe über die Stirn hobeln

Das ist so etwas wie in den Kampf ziehen, zum Zahnarzt gehen oder nen Müsli essen - Metaphern über das Lernen gibt es viele. Die Freiburger Erziehungswissenschaftlerin Elisabeth Wegner hat Studierende und Schüler befragt und festgestellt: Jede Generation hat ihre eigenen Metaphern fürs Lernen.

Von Lukas Meyer-Blankenburg | 30.01.2018
    Junge Frau sitzt über Lektüre
    Lernen ist wie Wandern. Methaphern über das Lernen - Es macht nicht immer Spaß, aber wenn man am Ziel ist, dann fühlt es sich sehr gut an. (imago /Westend61)
    Den Begriff vom Bulimie-Lernen hat vermutlich jeder schon einmal gehört. Für den Test stopft man sich schnell Wissen in den Kopf, lässt dann alles raus und nach der Arbeit ist das meiste schon wieder vergessen. Eine ziemlich drastische Lern-Metapher, die aber einiges aussagt. Die Freiburger Erziehungswissenschaftlerin Elisabeth Wegner hat Studierende, Lehrende und Schüler nach ihren Lern-Metaphern befragt und festgestellt: jede Generation hat ihre eigenen Metaphern fürs Lernen. Lukas Meyer-Blankenburg hat sich in Freiburg umgehört.
    Wer an einem grauen Januarmorgen die Studierenden auf dem Freiburger Campus nach ihren Lern-Metaphern fragt, der hört erst einmal:
    "Oje." - Und nach einigem Nachdenken: "Lernen ist wie Wandern. Es macht nicht immer Spaß, aber wenn man am Ziel ist, dann fühlt es sich sehr gut an."
    Kurz gesagt, ein "steiniger Weg".
    "Wie so ein kleines Fenster in den Kopf von Lernenden"
    Für die Freiburger Erziehungswissenschaftlerin Elisabeth Wegner haben solche Metaphern fürs Lernen einen ganz besonderen Reiz.
    "Das ist wie so ein kleines Fenster in den Kopf von den Lernenden und da findet man teilweise Dinge, die möchte man gar nicht so wissen oder man denkt: oh, das ist gar nicht so schön. Also wenn jemand sagt: Lernen ist wie mit der Käsereibe über die Stirn hobeln, dann denkt man so: ok, diese Person leidet wirklich."
    Die Lern-Metaphern geben einen Einblick in das Verständnis vom Lernen. Das muss nicht immer gleich die Käsereibe sein. Die meisten Studierenden beschreiben das Lernen als Wandern oder auch als das Sortieren einer Bibliothek. Lernen bleibt dabei aber ein individueller Prozess.
    Anders sieht es bei den Lehrenden aus. Hier dominieren Lern-Metaphern, die das Lernen - je nach wissenschaftlicher Disziplin - als gemeinsame Erfahrung schildern. So sagt der Philosophie-Professor, das Lernen sei für ihn "wie dass man durch den Säulengang wandelt und Probleme diskutiert. Und der Ökologe hat dann gesagt: Das ist wie ein Wald. Und ist da mit den Studierenden und guckt sich den Wald an."
    "Eher so mit Sport vergleichen"
    Nicht ganz so harmonisch sind die Metaphern der jungen Generation. Nur wenige Meter vom Freiburger Uni-Campus entfernt befindet sich die Angell-Schule. "Rein schulisches Lernen würde ich jetzt eher so mit Sport vergleichen", sagt etwa der Oberstufenschüler Konrad Sütterle.
    "Es ist halt ne Notwendigkeit und man guckt, dass man es so schnell wie möglich hinter sich bringt."
    Und seine Klassenkameradin Antonia Thümmel meint: "Das ist wie so ein Schwamm, bist du, und dann diese ganzen Informationen, die du lernen musst, ist wie des Wasser und das saugt sich auf. Wenn man dann ne Arbeit oder einen Test schreibt, dann, nachdem man das geschrieben hat, lässt sich des Wasser plötzlich wieder alles ab und das ist dann so ne Leere im Kopf (und dann lernt man wieder neue Sachen).
    "Das ist sowas wie in den Kampf ziehen, zum Zahnarzt gehen oder nen Müsli essen, was trocken ist und was man nicht mag. Oder aber auch Sport treiben, Hantel-Training machen und am Ende bin ich stark. Also das ist sowas, was 70 Prozent der Schülerinnen und Schüler sagen, es geht darum, dass sie von außen dazu gezwungen werden und sich irgendwie dazu verhalten müssen."
    Leuten Strategien an die Hand geben
    Eine zentrale Frage für Erziehungswissenschaftlerin Elisabeth Wegner ist daher, ob sich mit anderen, angenehmeren Lern-Metaphern auch automatisch die Einstellung zum Lernen verändern lässt. Erste kleine Studien haben gezeigt: Kurzfristig bringt es gar nichts, einfach eine neue Lern-Metapher vorzugeben. Die Lernenden fallen schnell wieder in ihr gewohntes Lernmuster.
    "Das Wichtigste ist auch, dass die Leute Strategien an die Hand bekommen, wie sie das umsetzen sollen. Weil, wenn ich jetzt nicht weiß, wie erschließe ich mir einen Text und wie kann ich da auch eine kritische Haltung zu entwickeln, dann kann ich noch so sehr die Metapher ändern. Wenn ich nicht weiß, wie ich das mache, dann passiert da gar nix."
    Das bestätigt auch die Klassenlehrerin von Konrad Sütterle und Antonia Thümmel, Annette Schuck.
    "Dieses Lernen lernen ist nicht etwas, was natürlich passiert, sondern da kann man viele Strategien einüben. Und ich glaub schon, dass es Schülern helfen könnte in ihrer schulischen Karriere, wenn man mehr mit ihnen über das Lernen reden würde, als das momentan stattfindet."
    Das könnte langfristig dann auch die Lern-Metaphern verändern. Weg von Zahnarztbesuch und Käsereibe, hin zu mehr Spaziergang im Wald.